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gateSTORY – Social Entrepreneurship auf dem Vormarsch

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Wie es klappt, die Welt zu verändern und davon leben zu können

Ein Unternehmen aufbauen, selbstbestimmt Zeit und Energie einsetzen und gleichzeitig die Welt verbessern? Diesen Anspruch haben immer mehr Gründer an ihr Arbeitsleben. Unsere Coverstory zeigt, wie es möglich ist, unternehmerischen Erfolg mit dem Einsatz für Menschen und Umwelt zu vereinen.

Damit sich auch Wissenschaftler, Journalisten, Umweltorganisationen und NGOs schnell und umfassend über den Forschungsstand zu den Auswirkungen des Plastikmülls auf Mensch und Tier informieren können, bietet gate- Startup One Earth – One Ocean mit seiner International Marine Litter Database eine Sammlung wissenschaftlicher Studien zum Thema Meeresmüll in einer Wissensdatenbank auf seiner Webseite:
www.oneearth-oneocean.com

Der Drang, die Welt zu verändern, kommt bei einem aktuellen Blick in die Medien schnell auf. Der Klimawandel bedroht unseren Planeten, Krieg und soziale Missstände sorgen für Unruhen auf den Kontinenten und die Spaltung der Gesellschaft scheint immer tiefer zu greifen. Doch Rettung naht. Denn hier setzt Social Entrepreneurship an: Gründer, die es sich zum Ziel gemacht haben, mit ihrem Unternehmen zum Wohle der Allgemeinheit zu handeln und gesellschaftliche Probleme zu verbessern oder sogar zu lösen. Wie auch das »normale« Entrepreneurship lebt die Social-Branche von Innovationen. Kreative unternehmerische Konzepte sollen zu den notwendigen Veränderungen für eine bessere Gesellschaft und gesündere Umwelt führen. Am besten mit einem Geschäftsmodell, das zusätzlich langfristig finanziell stabil ist. Dabei spielt es in erster Linie keine Rolle, ob das Unternehmen eine Non-Profit- oder For-Profit-Organisation ist. Im Zentrum der Erfolgsmessung steht nämlich nicht die Gewinnmaximierung, sondern der gesellschaftliche Nutzen.

In Deutschland gewinnt soziales Unternehmertum in den vergangenen Jahren immer weiter an Aufmerksamkeit. Der Deutsche Social Entrepreneurship Monitor 2018 (DSEM) ergab, dass das Durchschnittsalter der befragten Sozialunternehmen insgesamt bei 3,3 Jahren liegt. Die Motivation, die Gesellschaft nachhaltig mitzugestalten, ist in den letzten Jahren also stark gewachsen. Die Szene professionalisiert sich zunehmend – sozial engagierte Gründer können mittlerweile auf ein breit organisiertes Netzwerk zurückgreifen. Die Perspektive, unternehmerisches Denken mit gesellschaftlichem Mehrwert zu vereinen, überzeugt dadurch eine wachsende Menge von Gründern. Dass Sozialunternehmertum gewaltiges Potenzial hat, um auch finanziell erfolgreich zu sein, bestätigte jüngst die Studie »Wenn aus klein systemisch wird – Das Milliardenpotenzial sozialer Innovationen« vom Changemaker-Netzwerk Ashoka und der internationalen Unternehmensberatung McKinsey.

Mit der »Maritimen Müllabfuhr« zu plastikfreien Ozeanen

Was es bedeutet, sich als Social Entrepreneur zu engagieren, kann Günther Bonin berichten. Sein Verein One Earth – One Ocean e.V. (OEOO) ist im gate ansässig und verfolgt seit fast zehn Jahren die Mission, Seen, Flüsse und Meere von Plastikmüll zu befreien. Mit dem umfassenden Konzept der ‚Maritimen Müllabfuhr‘ kämpft der Verein dafür, Gewässer weltweit von Plastikmüll, aber auch Öl und Chemikalien zu säubern. Die negativen Auswirkungen der Verschmutzung auf die Natur und unsere Gesundheit sind mittlerweile weitreichend bekannt. Bonin bestätigt, dass sich in den vergangenen Jahren das Thema Plastikmüll im Bewusstsein der Menschen verankert hat und viele einen verantwortungsvolleren Umgang mit Plastik versuchen. So stieg auch die Aufmerksamkeit der Medien für die Arbeit des Vereins. Eine große Hilfe, um die nötigen Einnahmen zur Finanzierung der Projekte und der Gehälter der Angestellten zu sammeln.

Den größten Kostenpunkt stellt die Flotte der Maritimen Müllabfuhr dar. Die Müllsammel-Schiffe wurden bisher in zwei Größen gebaut: SeeHamster und SeeKuh. Während mittlerweile fünf SeeHamster Binnengewässer wie Seen und Flüsse von Müll befreien, reinigt die SeeKuh als zentrales Schiff der Flotte Küstenregionen und Flussmündungen. Das Spezialschiff kann zerlegt und in vier 40-Fuß-Container verstaut werden. Damit ist die SeeKuh extrem flexibel und weltweit einsetzbar. Sie kam schon in der Ostsee und in Hongkong zum Einsatz. Der für 2021 geplante See-Elefant soll zukünftig den gesammelten Meeresmüll mit bordeigenen Kränen übernehmen. Anschließend wird der Müll dann mit der in das Schiff integrierten Anlagentechnik aufbereitet, sortiert und verarbeitet. Neben sortenreinen Kunststoffballen sollen so auch Energie und Kraftstoff aus dem Plastikmüll gewonnen werden. Die gesamte Anlagentechnik des SeeElefanten ist modular aufgebaut und lässt sich flexibel an die Bedingungen am Einsatzort anpassen.

Als Spezialist für die ‚Maritime Müllabfuhr‘ wurde OEOO auch schon vom nigerianischen Umweltministerium eingeladen, sich an einem offiziellen Öl-Säuberungsprojekt der Regierung zu beteiligen. Denn das Nigerdelta ist durch Lecks an Förderanlagen und Pipelines stark verschmutzt. Mit Hilfe der Ölbindewatte PURE der deutschen Firma Deurex konnte gezeigt werden, wie man ölbelastete Gewässer mit einfachen Mitteln reinigt und das Öl zurückgewinnt. Ein anderes internationales Projekt findet aktuell statt: In der Region Battambang in Kambodscha wird in einem Reinigungs- und Umweltbildungsprojekt der Sangkae River, ein Zufluss des Mekong, von Plastikmüll gereinigt. Das gesammelte Material wird vor Ort sortiert und recycelt. Begleitend finden Schulungen und Vorträge für die Einheimischen statt.

Seit fast zehn Jahren verfolgt One Earth – One Ocean e.V. die Mission, Seen,
Flüsse und Meere von Plastikmüll zu befreien

Flexible Planung und klare Aufgabenverteilung für die Wirtschaftlichkeit

»Uns ist wichtig, dass das Plastik wieder in den Kreislauf zurückkehrt. Das bedeutet, dass es recycelt oder wieder in Öl umgewandelt wird. Hauptsache der Müll verschmutzt nicht die Flüsse und im Anschluss die Ozeane«, erklärt Günther Bonin das Ziel von OEOO. Neben dem leidenschaftlichen Engagement für die Weltmeere verliert er auch die unternehmerische Seite der Organisation nicht aus dem Blick. Bonin betont, dass für den Erfolg des Vereins vor allem eine kurzfristige flexible Planung wichtig ist. Das bedeutet Jahresverträge für die Angestellten und eine reibungslose Aufgabenverteilung. Übergeordnet müssen dafür Vision und Ziele klar definiert sein. Dann klappt es auch mit einem Team, das international verstreut ist. Bei OEOO kann dadurch jedes Teammitglied nach eigenem Befürworten seine Arbeit machen. So bleibt die Motivation hoch und der Fokus auf dem gemeinschaftlichen Nutzen. Dass dieses Modell funktioniert, beweisen die vielen erfolgreich durchgeführten Projekte des Vereins.

Rückhalt und fundierte Ausbildung für soziale Gründer

Um die besonderen Herausforderungen für Social Entrepreneurship so erfolgreich meistern zu können, benötigen die Gründer in der Regel viel Unterstützung von Einzelnen, Organisationen, Instituten und dem Staat. Die Ergebnisse des aktuellen DSEM legten offen, dass sich der Großteil der befragten Sozialunternehmen zunächst aus eigenen Ersparnissen finanziert, nämlich 36,9 Prozent. Zweithäufigste Finanzierungsquelle ist mit 13,1 Prozent das Kapital von Familie und Freunden. Es folgen mit 9,1 Prozent die Finanzierung durch staatliche Fördermittel und jeweils 7-8 Prozent finanzierten sich durch Crowdfunding/Crowdinvesting sowie durch Stiftungsförderungen. Hier ist also noch Luft nach oben. Initiator des DSEM ist das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND). Im Dezember 2016 unter dem Dach vom Bundesverband Deutsche Startups e.V. (BVDS) als eine Arbeitsgruppe zu Social Entrepreneurship entstanden, startete das SEND im September 2017 dank einer erfolgreichen Crowdfundingkampagne den Aufbau eines schlagkräftigen Netzwerks. Dieses hat sich zur Aufgabe gemacht, die Szene zu vernetzen und ihr eine Stimme zu geben. Als SENDMitglied können sich die Gründer zudem Unterstützung aus dem bundesweiten Netzwerk holen und innovative Lösungen für unterschiedlichste Herausforderungen entwickeln.

Wer im sozialen Bereich gründen will, kann außerdem auf ein mittlerweile breites Angebot an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zurückgreifen. In München ist beispielsweise die Social Entrepreneurship Akademie eine zentrale Anlaufstelle für alle, die unternehmerisches Handeln mit sozialem Denken in Einklang bringen wollen. Die Angebote reichen von studienbegleitenden Programmen bis zu individueller Beratung und bieten Unterstützung bei der Verwirklichung und Umsetzung von Ideen. In Studiengängen wie beispielsweise dem Bachelor of Arts in »Management Sozialer Innovationen« der Hochschule München kann man sich ebenfalls in Vollzeit auf den Job als Social Entrepreneur spezialisieren.

Zusammengefasst sind die Erfolgschancen durch die professionalisierte Unterstützung und strukturierten Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Social Entrepreneurs wohl so hoch wie kaum zuvor. Zudem erhöht das wachsende öffentliche Interesse den Druck, innovative Lösungen für den Klimawandel, den Demografischen Wandel oder die Folgen der Digitalisierung zu finden. Das bietet Sozialunternehmern großes Potenzial, um sich den Traum eines sinnreichen Arbeitslebens zu erfüllen.

Handlungsempfehlungen des SEND e.V. für die Unterstützung von Social Entrepreneurship auf politischer Ebene

  1. Koordination in Politik und Verwaltung
    Aktuell herrscht von Seiten der Politik keine Transparenz über zuständige Ansprechpartner für die Koordinierung Sozialer Innovationen. Für eine gute Abstimmung sollten sowohl den Ministerien als auch den dortigen Mitarbeitenden die klare Zuständigkeit zugewiesen werden. Gleiches gilt für andere öffentliche Institutionen wie z.B. die KfW oder andere Förderorganisationen des Bundes. Idealerweise sollte bei einem Ministerium oder beim Kanzleramt eine Koordinierungsstelle eingerichtet werden. Auch im Deutschen Bundestag sollte eine entsprechende Struktur zur Förderung Sozialer Innovationen geschaffen werden. Dies ist Basis für die Umsetzung einer ganzheitlichen Sozialen Innovationsstrategie, die neben dem Antrag der Grünen auch in mehreren Redebeiträgen genannt wird. Wir begrüßen ausdrücklich nicht den Social Entrepreneurship Sektor für sich alleine zu sehen, sondern Innovatoren aus Zivilgesellschaft, Wohlfahrt, Wirtschaft, öffentlichen Insititutionen und Politik zu integrieren! Viele dieser Akteure kämpfen aktuell auch mit den schwierigen Rahmenbedingungen für Soziale Innovationen.
  2. Finanzierung
    Nur durch steigende Investitionen in wirkungsorientierte
    Organisationen ist die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele
    (Sustainable Development Goals;
    SDGs) überhaupt noch möglich. Social Entrepreneurship
    stellt eine der geeignetsten Herangehensweisen
    dar (vgl. GlobeScan & SustainAbility Survey 2017), um
    die SDGs zu erreichen. Entgegen einiger Statements
    in den Redebeiträgen können Social Entrepreneurs
    bislang auf viele Angebote der Gründungs- und Innovationsförderung
    nicht zurückgreifen. Während technologische
    Innovationen mit einer Fokussierung auf
    den ökonomischen Kontext von Seiten der Politik auf
    breiter Basis gefördert werden, sind diese Instrumente
    für soziale Gründungen und Innovationen oft nicht
    zugänglich.
  3. Gründer- und Innovationszentren
    Für klassische Gründungs-/Innovationsvorhaben gibt es eine Vielzahl geförderter Gründer- und Innovationszentren. Um die Stärken der unterschiedlichen Akteure für die Gestaltung sozialer Innovationen bestmöglich zu koordinieren, ist die Schaffung von physischer Infrastruktur in Form von Begegnungs- und Experimentierräumen nötig. Dort können sich die verschiedenen Akteure miteinander vernetzen, voneinander lernen und gemeinsame Projekte realisieren. Vor Ort sollten zielgruppenspezifische Beratungsangebote angeboten werden.